Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Angebotsseite

Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Angebotsseite
1. Charakterisierung: In makroökonomischen Totalmodellen offener Volkswirtschaften wird die Angebotsseite durch die Gleichungen des Arbeitsmarktes und eine gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion beschrieben und lässt sich auf eine gesamtwirtschaftliche Güterangebotsfunktion reduzieren. Dabei ist zwischen dem neoklassischen Vollbeschäftigungsfall, der mit Lohn- und Preisflexibilität einhergeht, und dem Keynesschen Unterbeschäftigungsfall, der mit rigiden Geldlohnsätzen verbunden ist, zu unterscheiden.
- 2. Arbeitsmarkt: Die Arbeitsnachfrage hängt – ebenso wie in einer geschlossenen Volkswirtschaft – gemäß der neoklassischen  Grenzproduktivitätstheorie in negativer Weise vom Produzentenreallohnsatz W/P ab:Nd = Nd (W / P),mit d Nd/d(W/P) < 0, wobei: W = Geldlohn- oder Nominallohnsatz, P = inländisches Preisniveau. Für das Arbeitsangebot Ns ist der relevante Reallohnsatz der Konsumentenreallohnsatz W/PI. Dieser ergibt sich durch Deflationierung des Geldlohnsatzes W mit einem Preisindex PI, welcher eine Kombination aus dem inländischen Preisniveau P und dem ausländischen Preisniveau P* in Inlandswährung (d.h. multipliziert mit dem Wechselkurs in Preisnotierung e) ist:Ns = Ns (W / PI)mit dNs/d (W/PI) > 0, wobei: PI = γ · P + (1 – γ)P* · e, 0 < γ < 1. In einer offenen Volkswirtschaft messen die Arbeitsanbieter die Kaufkraft ihrer Geldlöhne daran, wie viele in- und ausländische Güterbündel sie mit dem herrschenden Lohnsatz erwerben können. Demzufolge ist der Nominallohnsatz mit dem Konsumentenpreisindex PI, welcher neben dem Preis des Inlandsgutes auch den Preis des importierten Gutes beinhaltet, zu deflationieren. Die Konstante γ bzw. 1 – γ ist dabei ein Maß für die Geschlossenheit bzw. Offenheit der betrachteten Volkswirtschaft; sie gibt denjenigen Anteil an den gesamten Konsumgüterkäufen der inländischen privaten Haushalte an, der auf den Kauf des Inlandsgutes (bzw. Auslandsgutes) entfällt. Konsumenten- und Produzentenreallohnsatz fallen auseinander, sofern keine  Kaufkraftparität gegeben ist, d.h. das international handelbare Inlands- und Auslandsgut unvollkommene Substitute darstellen ( Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Nachfrageseite). Dies zeigt die folgende Umrechnung des Reallohnsatzes W/PI, in welcher dieser mithilfe des Produzentenreallohns und der  Terms of Trade τ ausgedrückt wird:
Unterscheidet sich das Inlandspreisniveau P vom ausländischen Preisniveau P* e in Inlandswährung , sind die Terms of Trade τ ungleich eins, so dass der Konsumenten- vom Produzentenreallohn abweicht. Da eine Steigerung von τ isoliert gesehen den relevanten Reallohnsatz der Haushalte W/PI und damit die Kaufkraft ihres Geldlohnsatzes erhöht, nimmt das Arbeitsangebot bei einer realen Aufwertung der Inlandswährung zu; im Arbeitsmarktdiagramm (Abbildung „Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Angebotsseite (1)“) kommt es dann zu einer Steigerung der gleichgewichtigen Beschäftigungsmenge N.
Die gleichzeitige Erhöhung der Arbeitsnachfrage ist dabei auf einen Rückgang des Produzentenreallohns zurückzuführen.
- 3. Gesamtwirtschaftliche Produktionsfunktion, Güterangebotsfunktion: Herrscht auf dem Arbeitsmarkt aufgrund einer vollkommen flexiblen Lohnanpassung ein dauerhafter Zustand der Vollbeschäftigung, erhöht sich mit der Steigerung von τ gleichzeitig das Beschäftigungsvolumen, so dass es bei Zugrundelegung einer  neoklassischen Produktionsfunktion der Art Y = Y(N, S̅K̅) mit δY/δN > 0, δ2Y/δN2 < 0 und gegebenem Sachkapitalbestand SK = S̅K̅) auch zu einer Ausweitung des Güterangebots kommt. Bei Vorliegen vollkommen flexibler Löhne und Preise ergibt sich also eine gesamtwirtschaftliche Güterangebotsfunktion Ys, die positiv von den Terms of Trade τ abhängig ist und im Unterschied zum Fall der geschlossenen Volkswirtschaft preiselastisch verläuft (vgl. Abbildung „Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Angebotsseite (2)“): Ys = Y(τ) mit dY/dτ > 0.
- Wird der Keynessche Unterbeschäftigungsfall betrachtet, der mit einem starren Geldlohnsatz verbunden ist (W = W̅), bestimmt die Arbeitsnachfrage als kurze Marktseite die effektive Beschäftigung; man erhält dann – ebenso wie im Fall der geschlossenen Volkswirtschaft – eine in positiver Weise vom inländischen Preisniveau P abhängige Güterangebotsfunktion (vgl. Abbildung „Totalmodelle offener Volkswirtschaften, Angebotsseite (3)“): Ys = Y(Nd (W̅/P), S̅K̅) = Y(P) mit dY/dP > 0.

Lexikon der Economics. 2013.

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